Mythos. Legende. Tragik. Kaum ein Team lässt sich mit diesen drei Wörtern besser charakterisieren als Ungarns Team der fünfziger Jahre. Puskás, Hidegkuti, Kocsis – Namen, die sowohl im kulturellen Gedächtnis des Fußballs ihren festen Platz haben, als auch in dem deutscher Geschichte. Herbert Zimmermann hat ihnen eine Stimme verliehen, das Bild der Ikone Puskás, wie sie mit gesenktem Kopf das Feld des Wankdorfstadions verlässt, ein Gesicht. Noch heute gelten die Ungarn als eines der besten Teams aller Zeiten. Die ungekrönten Könige des Spiels, die dem Sport beim 6:3 vor 105.000 Zuschauern in Wembley 1953 gegen England einen ersten Höhepunkt schenkten.
Wie konnte Ungarn die Welt erschüttern?
Heute heißen die bekanntesten Spieler im Kader Ádám Szalai, Balázs Dzsudszak und Zoltan Stieber – Spieler, die an der Weltspitze nicht einmal kratzen. An einer WM nahmen die Magyaren zuletzt 1986 in Mexiko teil. Wie also konnte ein so kleines Land, das heute nicht mehr als eine Statistenrolle im Weltfußball besetzt, fast ein Jahrzehnt dominieren, sich einen Ruf der Unbesiegbarkeit erspielen und so schnell wieder aus der Weltklasse verschwinden?
Die Meilensteine der Aranycsapat (ungarisch für „Goldene Elf“ und Spitzname der ungarischen Nationalmannschaft), wie das 3:0 gegen Italien im Achtelfinale bei den Olympischen Spielen 1952, der anschließende Turniersieg (durch ein 2:0 im Finale gegen Jugoslawien) und das 6:3 gegen England 1953 sind bekannt. Ebenso die Tatsache, dass Ungarn über vier Jahre und 32 Pflichtspiele ohne Niederlage blieb. Vielmehr bleibt die Frage nach der Ursache der magyarischen Übermacht und die Frage nach deren Ende.
Stalins Einfluss auf den ungarischen Fußball-Mythos
Die Spurensuche beginnt im Jahr 1946. Europa liegt in Trümmern und überall sind die schockartigen Nachwirkungen des Holocaust deutlich spürbar. Den Westalliierten steht ein Mann gegenüber, der eine Jahrzehnte andauernde Kluft zwischen den einst als Siegermächte deklarierten Ländern entstehen lassen sollte und indirekt auch auf den ungarischen Fußball Einfluss nehmen sollte: Josef Stalin.
Ungarn ächzte bereits 1945 unter dem Vorsitz der Sowjetunion, die den Kommunismus als Säule eines neuen Europas sah. Erste Leidtragende der sowjetischen Maßnahmen: Die Ungarndeutschen. Willkürlich wurden zunächst Tausende enteignet, auch Menschen, die ihre „Vaterlandstreue und demokratische Gesinnung“ nicht unter Beweis gestellt hatten. Im nächsten Schritt sollten alle Ungarndeutschen nach Deutschland ausgewiesen werden, die sich 1941 zur deutschen Staatsbürgerschaft oder Muttersprache bekannt hatten und/oder die Magyarisierung ihres Namens rückgängig gemacht hatten. Insgesamt hat das von Stalin geleitete und vom Potsdamer Abkommen ermächtigte Ungarn die Hälfte aller Ungarndeutschen ausgewiesen, die andere Hälfte blieb in Ungarn, wurde aber staatenlos. Bis in die achtziger Jahre hinein sahen sich die erst 1956 wieder mit Personalausweisen ausgestatteten Ungarndeutschen Diskriminierungen ausgesetzt.
Wer war Franz Purczeld?
Unter den vielen Ungarndeutschen war auch Franz Purczeld. Purczeld wurde nicht ausgewiesen, zum einen war das Glück, zum anderen vermerkte ein stalinistischer Sekretär das enorme Fußballtalent des 19-jährigen ungarischen Nationalspielers und Stürmers von Kisvest Budapest. Hätten die Staatsdiener gewusst, dass Purczeld später antikommunistische Kommentare abgeben und Stalin stets abgeneigt sein würde, hätten sie ihn wahrscheinlich auf der Stelle aus dem Land geworfen. Sie taten es nicht und Purczeld wurde unter seinem magyarischen Namen ein Weltstar, der heute in einem Atemzug mit Pele und Maradona genannt wird: Ferenc Puskás.
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